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sich mir den Zündschlüssel zu geben, setzte sich demonstrativ auf den Fahrersitz und hielt sich krampfhaft am Lenkrad fest. Was blieb mir weiter übrig. Die Zeit drängte und duldete keine langen Debatten. Ich ließ ihn im Fahrzeug sitzen, stellte zunächst mit den Zugführern die Marschkolonne zusammen und befahl dem ersten Zugführer, die Truppe zum Verladebahnhof zu führen. Dann versuchte ich es noch einmal, Oberfeldwebel Erdmann davon zu überzeugen, daß es keinen Zweck habe, in diesem Zustand das Fahrzeug zu führen. Aber er war nicht zu bewegen, seinen Platz zu verlassen. Er sei der Fahrer und werde seine Aufgabe, wie es sich gehört, ordentlich erfüllen. Ich vergatterte ihn langsam zu fahren, was er auch hoch und heilig versprach und setzte mich mit gemischten Gefühlen auf den Beifahrersitz. Wir fuhren los, um zunächst die Relaisstelle zu holen. Bald aber hatte Erdmann die mahnenden Worte und sein Versprechen vergessen. Er fuhr, als wäre der Teufel hinter uns her. Mir blieb nur übrig, wenn es mir gar zu bunt wurde, nach der Handbremse zu greifen; was der Schirrmeister sich dabei von mir anhören musste störte ihn nicht im Geringsten und ich möchte es auch hier nicht wiedergeben. Sicher haben die Bremsbelege auf dieser Fahrt sehr gelitten, denn ich habe öfter als es für das Fahrzeug gut war, nach der Handbremse greifen müssen. Als ich nach diesen „Vorbereitungen der Rückverlegung“ meine Fahrzeuge vollzählig auf den Waggons hatte, war ich froh, daß diese „Geschichte“ ohne Vorkommnisse abgegangen war. Dieter Waldt
Empfang im Silon- Werk in Tabor (Bilder: Privat Joachim Kampe)
Episoden und Geschichten
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Am Rande des Manövers Moldau Das Manöver war erfolgreich beendet worden und nun besuchten sich die Manöverteilnehmer auf den Gefechtsständen gegenseitig. Auch die im Territorium befindlichen Betriebe und Einrichtungen luden die Manöverteilnehmer zu sogenannten Freundschaftstreffen ein. So angenehm und interessant all diese Begegnungen waren, so hatten sie doch auch eine sehr negative Seite, die im Konsum erheblicher Mengen Alkohol bestand. Mein Schirrmeister, Oberfeldwebel Erdmann, der gleichzeitig Fahrer meines Geländewagens war, besuchte am Tage der Rückverlegung mit einer Delegation einen Betrieb. Die Zeit drängte, denn es waren noch etliche Dinge zu erledigen. Da der Rückmarsch mit der Eisenbahn erfolgte, war man auf die festgelegten Verladezeiten angewiesen, die verständlicher Weise exakt einzuhalten waren. Ich saß wie auf Kohlen und wartete auf die Rückkehr der Delegation. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, als der Schirrmeister, förmlich auf den letzten Pfiff, von Baum zu Baum schwankend, mit einem roten Halstuch dekoriert und einem Blumenstrauß fröhlich winkend, sich dem Gefechtsstand näherte. Mir wurde himmelangst, denn ich hatte noch eine Relaisstelle vor der Verladung abzuholen, die auf einer Anhöhe die Meldungen der Truppenteile für den Divisionsstab zu übermitteln hatte. Ich wollte den Kübel selbst fahren, aber Oberfeldwebel Erdmann weigerte
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