Aus einer zeitgenössischen Karikatur (München) – Zum Raubfrieden! „Trotzki lernt schreiben“
Während die Verhandlungen über einen Friedensvertrag mit den russischen Bolschewiken am 20. Januar 1918 ergebnislos vertagt worden waren, verhandelten die Deutschen in Brest-Litowsk auch mit Vertretern der Ukraine über einen Sonderfrieden. Die Übereinkunft zwischen der deutschen und der ukrainischen Delegation sah als Gegenleistung für die Anerkennung der Unabhängigkeit große Getreidelieferungen aus der Ukraine an das Deutsche Reich vor. Dieser "Brotfriede” wurde am 9. Februar unterzeichnet und erhöhte den Druck auf die Bolschewiken. Einen Tag später erklärte Leo D. Trotzki als russischer Delegationsleiter das offizielle Ende der Kriegsteilnahme Russlands, brach aber die Friedensverhandlungen ohne Beschluss ab. Weil die Bolschewiki weiter auf Zeit spielen, unterzeichnen die Deutschen am 9. Februar 1918 zunächst den Separatfrieden mit der Ukraine und rücken neun Tage später wieder vor. Ohne Gegenwehr besetzen sie ein riesiges Gebiet von Estland im Norden über Weißrussland und die Ukraine bis nach Rostow am Don. Jetzt lenkt Lenin ein. Im Rat der Volkskommissare fordert er: "Ihr müsst diesen Schandfrieden unterschreiben, um die Weltrevolution zu retten, um ihren einzigen Brückenkopf zu erhalten - die Republik der Sowjets." Am 3. März 1918 unterzeichnen Russland und die Mittelmächte den Friedensvertrag von Brest-Litowsk. Finnland, die baltischen Staaten, Polenund die Ukraine werden unabhängig, später auch Georgien, Armenien und Aserbaidschan.
Russland verliert 50 Millionen Einwohner, ein Viertel seines Territoriums und muss sechs Milliarden Reichsmark Entschädigung zahlen. Deutschland kontrolliert nun eine riesige Fläche von Finnland bis zum Kaukasus. Am 11. November 1918 kapitulierte das deutsche Reich. In der Kapitulationsurkunde war die Ungültigkeit des Vertrages von Brest-Litowsk zwar enthalten; aber die Entente gestattete den Deutschen in ihren Stellungen im Osten zu verbleiben. Aber am 13. November 1918 annullierten das Zentrale Exekutivkomitee (ZEK) und der Rat der Volkskommissare den Vertrag von Brest – Litowsk. Dieser Friede war in seiner innenpolitischen Konsequenz sehr weitragend: Indem er den radikalsten Friedensforderungen der aufständischen Massen entgegenkam, trug er entscheidend dazu bei, dass die Bolschewiki sich gegen ihre politischen Gegner, die dafür waren, den "Krieg bis zum siegreichen Ende" zu führen, behaupten konnten. Diese Atempause diente der Festigung der Sowjetmacht und dem Aufbau der Roten Armee.Die weltpolitischen Konsequenzen führten allerdings zu dem umstrittenen Zusatzprotokoll zwischen Hitlerdeutschland und der Sowjetunion 1939 und wirken gut zwei Jahrzehnte nach dem Ende der Sowjetunion fort, indem die Grenzziehungen der Gegenwart im östlichen Europa denen, die der Vertrag von Brest-Litowsk gezeichnet hat, erstaunlich nahekommen.“ Oberstleutnant a. D. Gerold Möller