Wie die Nachkriegszeit in der DDR 1958 ihr Ende fand …
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© NVA-Interessengemeinschaft Halle/Saale
In diesem Jahr wurde das Kartensystem zum Erwerb von Lebensmitteln, kurz, die
Lebensmittelkarten abgeschafft. Damit, das war im Osten klar, habe die
Nachkriegszeit endlich ihr Ende gefunden. Und es war ein Signal für die Rückkehr zur
Normalität, sofern man angesichts der noch vor der jungen Republik stehenden
Aufgaben überhaupt davon sprechen kann.
Natürlich war das eine bedeutende politische Entscheidung und so ging der
Abschaffung der Marken ein entsprechender Beschluss der DDR-Volkskammer
voraus, zustande gekommen wie es damals üblich war, auf „Vorschlag des ZK der
SED, des Bundesvorstandes des FDGB und des Ministerrates der DDR in
Übereinstimmung mit dem demokratischem Block“.
Politisch wichtig war dieser Schritt aber auch für die SED, welche mit dem
bevorstehenden 5. Parteitag und dem zu beschließenden Kurs der „Hauptaufgabe“
ein deutliches Signal in Richtung Sieg des Sozialismus setzten wollte. Immerhin
hatte die Bundesrepublik Deutschland die Lebensmittelkarten bereits 1950
abgeschafft. Ein Erfolg für den Klassenfeind, der sich relativiert, wenn man um die
politischen Hintergründe des Marshallplanes weiß und akzeptiert, dass die DDR die
nahezu alleinige Hauptlast bei den Reparationen und immense Aufgaben bei der
Umgestaltung der Industrie und Landwirtschaft zu stemmen hatte. Nicht zuletzt
ging damit einher die Herstellung eines einheitlichen Preisniveaus. Lohnerhöhung
für über drei Millionen Arbeiter und Angestellte bis zu 300 DM Monatseinkommen. Einführung staatlicher Kinderzuschläge.
Und so sind es beachtliche wirtschaftliche Leistungen, welche als Voraussetzungen für diese Entscheidung erbracht wurden. Gegen Ende des Jahrzehntes überschritten der
Verbrauch von Schweinefleisch, Eiern und Butter bereits das Vorkriegsniveau. Hinzu kam, dass die Hektarerträge bei Getreide, Kartoffeln und Ölfrüchten deutlich gesteigert
werden konnten. Seit der Republikgründung 1949 bis ins Jahr 1958 stieg dieser demnach um das Dreifache. Schon 1956 wurden statistisch pro Kopf im Jahr 32,5 Kilo Fette
aller Art verbraucht, heißt es. 1958 solle dieser Wert planmäßig auf 35,2 Kilo steigen. Der westdeutsche Wert lag 1956 dagegen bei nur 30,1 Kilo.
Nicht minder nennenswert waren die sozialen Fragestellungen, welche es im Zuge der Kartenabschaffung zu lösen galt. In der DDR gab es seit 1948 ein doppeltes
Preissystem. Viele der rationierten Güter waren stark subventioniert und daher preiswert zu kaufen, übrigens vor allem über die „Konsum“ – Genossenschaften. Im
Gegenzug gab es die staatliche „HO“, wo die gleichen Waren
zwar frei, aber erheblich teurer verkauft wurden. Im ersten HO-
Laden in der Berliner Frankfurter Allee mussten für 500 Gramm
Zucker 1,45 Mark gezahlt werden - mit Karte nur 0,54 Mark.
Damit also das Wegfallen der Subventionen nicht zur
Verschlechterung der Lage breiter Teile der Bevölkerung führte,
wurde zur Kompensation ein gestaffeltes System von
Lohnzuschlägen eingeführt, deren Höhe sich an den bisherigen
Einkommen orientierte.
Übrigens wurden die als „Bezugsberechtigung –
Speisekartoffeln“ bezeichneten Kartoffelkarten erst 1966
abgeschafft. Auch wurde bis in die Mitte der 60er Jahre Butter
(wieder) rationiert. Ich selbst (Jahrgang 1956) kann mich daran
erinnern und sehe den „Konsum“ und das dicke Buch mit der
Strichliste noch vor mir. Und ich war stolz und glücklich,
Bundesarchiv , Bild 183-T0220-0307 / CC-BY-SA-3.0 , via Wikimedia Commons
mitzuerleben, wie die Rationierungen zunehmend gelockert und letztlich ganz abgeschafft werden konnten. ich wurde
Zeuge eines wachsenden (wenn auch) bescheidenen Wohlstandes, aber ehrlich und ohne Ausbeutung geschaffen.
Welches Deutschland kann das sonst noch von sich behaupten.
„Wenn die DDR bezüglich Wirtschaftskraft und Lebensstandard auch weiterhin hinter der BRD zurückblieb – im
Bemühungen um soziale Gerechtigkeit hatte sie schon 1958 die Nase eindeutig vorn.“ Zitat Jörg Roesler
Recherchiert und durch die sozialistische Tageszeitung „Neues Deutschland“ Wochenendausgabe 09/10.06.2018
inspiriert
Thomas Engelhardt